Wie können ukrainische Wasserunternehmen ihre Dienstleistungen optimieren? Und wie können die deutschen Partner dabei unterstützen? Die Antworten hierauf nutzt die deutsch-ukrainische Betreiberpartnerschaft als Basis, um einen ambitionierten Arbeitsplan zu erstellen. Dabei geht es nicht nur um technische Themen der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, sondern auch um kaufmännische Themen im Bereich kostendeckende Tarifkalkulation und Investitionsverfahren.
Das Wasser- und Abwasserunternehmen Lvivvodokanal der Stadt Lviv (Lemberg) im Westen der Ukraine gehört der Gebietskörperschaft der Stadt Lviv und ist das größte Wasserversorgungs- und Entsorgungsunternehmen in der Region. Zum Einzugsgebiet gehören etwa 730.000 Menschen und 10.000 Unternehmen. Lvivvodokanal betreibt zur Trinkwasserversorgung ein etwa 2.250 Kilometer langes Wassernetz. Das Entwässerungssystem der Stadt besteht aus einem 765 Kilometer langen Kanalisationsnetz, 15 Abwasserpumpstationen und zwei Kläranlagen.
Das Kommunalunternehmen Nadvirnavodokanal ist für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung der Stadt Nadvirna und der umliegenden Dörfer mit ca. 21.000 Einwohnern und vier Industrieunternehmen verantwortlich. Das Unternehmen beschäftigt 12 Mitarbeiter. Zu seinen Aufgaben gehören ein 30 km langes Kanalnetz, fünf Pumpstationen und die zentrale Kläranlage, die zu dem örtlichen Ölverarbeitungsunternehmen gehört. Nadvirnavodokanal plant den Bau einer neuen Kläranlage (erforderliche Investitionen ca. 234 Mio. UAH), die Modernisierung des Wasserversorgungssystems und die Optimierung der Schlammbehandlung. Das Unternehmen hat die Planungsunterlagen für den Bau der Kläranlage erstellt und will seine Mitarbeiter für die künftigen Aufgaben schulen und vorbereiten.
Das kommunale Unternehmen versorgt die Einwohner der Stadt Ternopil und vier benachbarte Dörfer mit ca. 240.000 Einwohnern und 4.000 Unternehmen und Organisationen mit Trinkwasser und kümmert sich um die Abwasserentsorgung. Das Unternehmen beschäftigt ca. 500 Mitarbeiter und betreibt ein ca. 400 km langes Wasser- und 300 km langes Abwassernetz, zwei Wasserentnahmestellen, acht Abwasserpumpstationen und die zentrale Kläranlage. Das Unternehmen plant den Bau einer neuen Kläranlage, die Modernisierung der Netze und der Infrastruktur. Zu diesem Zweck arbeitet es aktiv mit Wasserverbänden und internationalen Finanzinstitutionen, z.B. Weltbank, zusammen, die das Unternehmen fördern.
Ukrvodokanalekologiya als größter Verband der Wasserbetriebe in der Ukraine unterstützt den Wissenstransfer von führenden deutschen Wasserunternehmen auf ukrainische Wasserbetriebe. Außerdem begleitet er ukrainische Wasserunternehmen bei operativen und organisatorischen Veränderungen, die zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz des Wassersektors in der Ukraine führen. Ukrvodokanalekologiya ist bereit, das Projekt zu unterstützen und als Multiplikator die Projektergebnisse für andere ukrainische kommunale Unternehmen bereit zu stellen. Letztendlich werden Verbesserungen für den gesamten ukrainischen Wassersektor zu erzielen.
Die Stadtentwässerung Dresden GmbH erbringt Dienstleistungen auf den Gebieten der Abwassersammlung, -ableitung und -behandlung, der Umweltanalytik sowie bei der Planung und dem Bau von Abwasseranlagen. Das Unternehmen erreicht rund 670.000 Kunden in Ostsachsen. Mit etwa 400 Mitarbeitenden, einem Jahresumsatz von 85 Millionen Euro und jährlichen Investitionen von rund 30 Millionen Euro gehört es zu den größeren der Branche.
Die Berliner Wasserbetriebe sind für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung in Berlin und in Teilen Brandenburg verantwortlich. Im Jahr 2019 verkauften sie 220 Millionen Kubikmeter Wasser. Das Entwässerungsnetz umfasst knapp 10.000 Kilometer Kanäle. Träger der Berliner Wasserbetriebe ist das Land Berlin.
Die Hauptaufgaben der Stadtentwässerungsbetriebe Köln umfassen die Abwasserbeseitigung, den Hochwasserschutz und die Hochwasservorsorge sowie die Betreuung der fließenden Gewässer und der Parkweiher im Stadtgebiet Köln.
Zu Beginn der Betreiberpartnerschaft wurde sich auf einen Partner in der Westukraine, Lvivvodokanal, fokussiert und die Zusammenarbeit ausgestaltet. Die COVID-Pandemie bewirkte Einschränkungen in vielerlei Hinsicht und erschwerte den Projektfortschritt.
Nach einem Jähr Projektlaufzeit mit tiefgründigen Einblicken in die Zustandsbewertung und Arbeitsweise eines Wasserunternehmens in der Ukraine sowie in gemeinsamen Diskussionen aller Projektbeteiligten wurde deutlich, dass die Herausforderungen für ukrainische (Ab-)Wasserbetreiber grundsätzlich ähnlich gelagert sind. Gemeinsam müssen unterschiedliche Handlungsfelder lösungsorientiert diskutiert werden, wie z.B.:
Eine Erweiterung der bestehenden Betreiberpartnerschaft mit Lvivvodokanal um die Wasserunternehmen der Städte Ternopil und Nadvirna trägt grundsätzlich zum Gedanken der nachbarschaftlichen Hilfe bei und unterstützt eine nachhaltige Wasserwirtschaftsstrategie für kleine und mittlere kommunale Betreiber in der Westukraine. Synergien im Wissens- und Erfahrungsaustausch, u.a. durch Beratungsleistungen, Workshops und Schulungen, sind zentraler Bestandteil der Betreiberpartnerschaft und werden maßgeblich vom ukrainischen Bedarf bestimmt.
Eine konsequente Vernetzung der Betreiber auf ukrainischer Seite, u.a. auch mit dem Verband Ukrovodokanalekologyja, der die Schnittstelle zu den politischen Instanzen darstellt, ermöglicht es, langfristig nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, umzusetzen und nachzuhalten. Synergieeffekte müssen zielführend genutzt werden.
Zukunftsweisend soll dieses Konstrukt als Grundstein für ein potenzielles Betreibernetzwerk regionaler Wasserunternehmen in der (West-)Ukraine verstanden werden, um maßgebliche Verbesserungen im Trinkwasser- und Abwassermanagement zu bewirken. Die Südpartner sollen zunächst als Multiplikatoren für andere Wasser- und Abwasserakteure in der Ukraine wirken und perspektivisch qualifiziert sein, sich auch über dieses Projekt hinaus zu engagieren.
Seit Februar 2022 sieht sich die Betreiberpartnerschaft Ukraine mit der belastenden Situation der Eskalation des russischen Angriffskrieges konfrontiert. Eine Projektarbeit wie ursprünglich angedacht, ist leider nicht mehr möglich. Der regelmäßige Austausch zwischen den Partnern erfolgt vorrangig online und in nicht festgeschriebenen Intervallen. Die Partnerschaft ist stark von den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der ukrainischen Kollegen abhängig. Je nach Verfügbarkeit von Elektrizität, unter Berücksichtigung von Luftalarm und dem ad-hoc Einsätzen der ukrainischen Kollegen zur Aufrechterhaltung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung wird versucht, mit kreativen Lösungen einen komprimierten fachlichen Diskurs zu den partnerschaftlich vereinbarten Themenschwerpunkten zu führen. Eine Anpassung und Reduzierung der Kernthemen sowie eine Fokussierung auf dringend notwendige Beschaffung von technischem Equipment ist unerlässlich und wird orientiert an den vorherrschenden Kriegsbedingungen variabel angepasst.
Reisen von der Ukraine nach Deutschland sind mit einem erheblichen bürokratischen, nicht immer erfolgsversprechenden Antrag erschwert möglich, müssen unter Umständen jedoch kurz vor Beginn abgesagt werden. Die Ausreise für männliche Mitarbeitende wird immer schwieriger und hat nur geringe Aussicht auf Erfolg.
Ein reger und steter Austausch über die inhaltliche Ausrichtung der Zusammenarbeit und Umsetzungsmöglichkeiten führte in Absprache der Projektleitung mit den ukrainischen Partnerunternehmen dazu, den neuen Schwerpunkt der Betreiberpartnerschaft nun auf die wichtige Rolle von Frauen in der Wasserwirtschaft zu legen. Demgemäß folgt die Partnerschaft dem Ansatz „Stärkung von Frauen in der Wasserwirtschaft“ und fokussiert sich in ihren Arbeitstreffen auf fachliche Kompetenzen der Mitarbeiterinnen, die vorrangig im kaufmännischen als auch labortechnischen Bereich angesiedelt sind.
Die Bereitstellung von technischem Equipment und die Unterstützung durch pragmatischem Fachaustausch dienen der schnellen Lösungsfindung in dieser Sondersituation. Aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine ist es erforderlich, die bestehende Partnerschaft mit Hilfe von technischen Hilfsgütern zu stärken. Beschaffungen müssen gegenwärtig erhöhte Priorität haben, damit die Unternehmen auch im Falle von Blackout-Szenarien oder Überlastung durch Binnenflüchtlingsströme ihre Dienstleistungen nahezu ohne Einschränkungen gewährleisten können. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage (volatile Preise, lange Lieferzeiten, etc.) konnten bereits Notstromaggregate, diverse (Tauch-)Pumpen, Halbstahlerzeugnisse, Werkzeuge und Funkgeräte beschafft werden. Darüber hinaus werden in dem Projekt verschiedene Ansätze verfolgt und bearbeitet. Zum einen werden die Mitarbeiter qualifiziert und für verschiedene Problemstellungen sensibilisiert, Andererseits helfen Praxisvorträge und Workshops die vorhandene Technik optimal zu nutzen und Verbesserungen zu erzielen.
Kompakt organisierte Arbeitstreffen bei den deutschen Partnern werden beispielsweise durch intensive Kurzlehrgänge der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.) ergänzt.
Im Zuge einer verstärkten Verbandsarbeit werden weitere Wasser- und Abwasserunternehmen aus dem Netzwerk der Solidaritätspartnerschaften unterstützt und in das Weiterbildungsprogramm der Partnerschaft aufgenommen. Ziel ist es, das erworbene Wissen in die Breite zu tragen und dem Gedanken der Nachbarschaftskläranlagen zu folgen. Wünschenswert wäre der Aufbau eines soliden Fundaments für eine perspektivisch ähnliche Struktur von Kläranlagen-Nachbarschaften wie in Deutschland.
Für die verbleibende Projektlaufzeit bis 06/24 werden ausgewählte und spezifische Fragestellungen in Absprache prioritär und angepasst an die aktuelle Lage in der Ukraine bearbeitet:
Stand: Oktober 2023
Ukraine:
Lvivvodokanal, Lviv
Nadvirnavodokanal, Nadvirna,
Ternopilvodokanal, Ternopil
Ukrovodokanalekologiya
Deutschland:
Stadtentwässerung Dresden (Lead-Partner)
Berliner Wasserbetriebe
Stadtentwässerungsbetriebe Köln
Themenschwerpunkte
Blackout-Szenarien
Modellierung einer verbesserten Abwasserentsorgung
Bewertung vorhandener Baupläne für den Neubau der Kläranlagen in Ternopil und Nadvirna
Organisations- und Managementstrukturen
Kostendeckende Tarifbildung