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28.07.2023

Betreiberpartnerschaften: Schlüssel für eine wassersichere Zukunft

In Deutschland selbstverständlich, in vielen Ländern des Globalen Südens ein noch unerreichtes Ziel: sauberes Trinkwasser

Teilnehmende der Betreiberplattform bei der Besichtigung einer Kläranlage im Rahmen des 6. Netzwerktreffens im Mai 2023 in Berlin. Foto: Natalia Morokhova, Betreiberplattform

Noch immer haben weltweit über zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherer Trinkwasserversorgung. Zudem gibt es in vielen Kommunen im Globalen Süden keine funktionierende Abwasserentsorgung. Um diese globale Versorgungslücke in ihren Kommunen zu reduzieren, haben sich Betriebe der Wasserversorgung und -entsorgung aus Deutschland, Jordanien, Sambia, Südafrika, Tansania sowie aus der Ukraine seit 2019 zu Betreiberpartnerschaften zusammengeschlossen. Inzwischen können sie schon auf zahlreiche Erfolge zurückblicken.

Ob in Sambia, Südafrika oder Jordanien: Die grundlegenden technischen und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen für Wasserbetriebe ähneln sich in vielen Ländern. Durch Leckagen im Rohrnetz geht viel kostbares Wasser verloren und den Wasserversorgern entgehen damit Umsätze. Viele Wasserwerke arbeiten nicht kostendeckend und verbrauchen zu viel Energie. Auch die Optimierung der Wasserfiltrierung in Kläranlagen steht ganz oben auf der Agenda von Wasserversorgern im Globalen Süden.

Betreiberpartnerschaften teilen Know-how

Immer mehr deutsche Wasserbetriebe möchten ihr Wissen zu solchen Themen mit Partnern im Globalen Süden teilen und gemeinsam mit diesen Lösungen zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 6 „Sauberes Wasser und Sanitärversorgung“ erarbeiten. Als Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) neun Betreiberpartnerschaften am 24. Mai 2023 im BMZ empfing, stellte er fest, dass das exzellente Know-how und die umfassende Erfahrung in Deutschland in Hinblick auf politische Rahmenbedingungen, Regulierung und die Entwicklung wirtschaftlich tragfähiger technischer Lösungen der Wasserversorgung und -entsorgung ein „ganz großes Pfund“ für die Entwicklungszusammenarbeit seien.

Daher fördert das BMZ auch die „Betreiberplattform zur Stärkung von Partnerschaften kommunaler Unternehmen weltweit“ und damit die kommunale partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Betrieben aus Deutschland und seinen Partnerländern. Die Plattform, die auch langfristige Strukturen aufbaut, um zukünftig Partnerschaften zwischen kommunalen Unternehmen weltweit zu unterstützen, entwickele sich laut Flasbarth gut.

 
Die politische Wertschätzung aus dem BMZ haben die Betreiberpartnerschaften bereits mit handfesten Projektergebnissen belegt: Die GELSENWASSER AG und die Emschergenossenschaft / Lippeverband schulten die Mitarbeitenden in ihrem sambischen Partnerunternehmen Lukanga Water Supply & Sanitation zum Umgang mit asbesthaltigen Rohren, zur Energieeffizienz und zum Wartungsmanagement des Wasserleitungsnetzes. Mit dem neu erworbenen Wissen können die sambischen Partner ihre Betriebsführung in Zukunft nachhaltiger gestalten. Die Kahama Shinyanga Water Supply & Sanitation Authority in Tansania hat mit Unterstützung von HAMBURG WASSER und Netze BW ihr Wasserrohrnetz in Zonen eingeteilt, kann damit genauer erkennen, wo Wasser etwa durch einen Rohrbruch im Netz verloren geht, und schnell Abhilfe schaffen.

Warum sollten sich deutsche Wasserunternehmen in Sambia, Jordanien oder in der Ukraine engagieren?

Der Nutzen der Partnerschaften für die Betreiber aus dem Globalen Süden liegt auf der Hand. Aber warum engagieren sich deutsche Unternehmen im Rahmen der Betreiberplattform? Für Torsten Dörnbach von der Stadtentwässerung Dresden zählen hier vor allem drei Argumente: die Verantwortung des Unternehmens für mehr Nachhaltigkeit auch über den eigenen Tellerrand hinaus wahrzunehmen, sich mit internationalen Projekten gegenüber jungen Menschen als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und der fachliche Reiz für die Mitarbeitenden, an Lösungen für den Partnerbetrieb mitzuarbeiten, die wenig mit den in Deutschland gängigen Verfahren zu tun haben.

Kooperation über Kontinente hinweg benötigt Engagement und Vertrauen

Trotz der großen grundsätzlichen Bereitschaft zusammenzuarbeiten, birgt die Umsetzung der Betreiberpartnerschaften immer wieder Hürden. Administrative Aufgaben wie lange Beschaffungszeiten oder das Ausstellen von Exportpapieren – zum Beispiel für die Ukraine – nehmen oft viel Zeit in Anspruch. Zeit ist ohnehin ein knappes Gut, denn die meisten Mitarbeitenden erledigen die Partnerschafts-Aufgaben zusätzlich zu ihrem eigenen Job. Auch die Kommunikation über Kontinente hinweg ist nicht immer einfach und ein Verständnis für die Herausforderungen der Partner entwickelt sich nicht innerhalb von Tagen. Inzwischen haben die Partnerschaften gut funktionierende Kooperationsmodi geschaffen, zum Beispiel regelmäßige Treffen per Video, bei denen sie konkrete Schritte für ihre Projekte besprechen. Das Wichtigste sei allerdings, so Linda Engel, Projektleiterin bei der SKEW für die Betreiberplattform, dass sich die Partner über die Jahre gut kennengelernt und ein Vertrauensverhältnis entwickelt hätten. Das sei zusammen mit ihrer großen Motivation eine der zentralen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Heiko Heidemann von der GIZ, der seit vier Jahren das Vorhaben Betreiberplattform leitet, sieht noch einen weiteren Faktor für den Erfolg von Betreiberpartnerschaften: „Ziel ist eine enge Anbindung der Betreiberpartnerschaften an die Maßnahmen der deutschen technischen und finanziellen Kooperation. So kann die Wirksamkeit sowohl der Maßnahmen als auch der Betreiberpartnerschaften erhöht werden“, so Heidemanns Zwischenfazit.

 
Solidarität mit der Ukraine

Weil Krisen flexibles Handeln verlangen, wurden unter dem Dach der Betreiberplattform seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mehr als zehn „Solidaritätsbetreiberpartnerschaften“ ins Leben gerufen. Sie unterstützen die ukrainischen Wasserunternehmen vor allem dabei, technische Hilfsgüter wie Trinkwasserpumpen oder Notstromaggregate zu beschaffen, um durch russische Angriffe zerstörte oder beschädigte Wasser- und Abwassserinfrastruktur wieder instand zu setzen.

Für Anatolii Sahach vom Wasserversorger Miskvodokanal in Sumy nahe der russischen Grenze ist die Hilfe des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV) im niedersächsischen Brake existenziell: „Unser Ziel ist es, das Leben unserer Mitarbeitenden zu schützen sowie die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung aufrechtzuerhalten. Ohne externe Unterstützung wie vom OOWV würden wir das aktuell aber nicht schaffen; die Menschen in Sumy hätten dann kein Trinkwasser.“

Eine solide Basis ist gelegt

Die Liste der Themen, die die Betreiberpartnerschaften noch gemeinsam angehen möchten, ist lang. Darauf stehen neben technischen Aufgaben wie der Sanierung von Anlagen auch betriebswirtschaftliche und strategische Aspekte wie die Planung von Investitionen, die Einführung kostendeckender Tarife, die Sensibilisierung der Bevölkerung, ein effizientes Rechnungswesen und Führungsverantwortung. Das Pilotprojekt der Betreiberpartnerschaften läuft noch bis Mitte 2024. Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit. Daher machen sich die Partnerschaften dafür stark, dass das Projekt verlängert wird. Das Wichtigste haben sie aber schon erreicht: Sie haben Partnerschaften begründet, die ihnen neue Perspektiven eröffnen – technischer, wirtschaftlicher und menschlicher Natur.


erstellt von:
Susanne Reiff, Engagement Global/SKEW


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