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25.10.2023

Es gibt keinen ukrainischen Begriff für „Termin“

Einblicke in den YOUtility Lunch - Tipps und Tricks für die Zusammenarbeit mit deutschen und ukrainischen Partnerunternehmen

Foto: Golden Dayz | Shutterstock

An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden zunächst 18 ukrainische Teilnehmende und am 18. Oktober ca. 15 Teilnehmende aus deutschen kommunalen Unternehmen, auf mögliche Fallstricke und Fettnäpfchen in der Zusammenarbeit mit den deutschen bzw. ukrainischen Partnern hingewiesen.

Unter der Überschrift “Tipps und Tricks für die Zusammenarbeit” referierte der Ukrainer Dr. Volodymyr Motyl für die Mitarbeitenden der mittlerweile über ein Dutzend Solidaritätspartnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen kommunalen Unternehmen. Dr. Motyl hat in Deutschland studiert und arbeitet seit 17 Jahren für eine deutsche Firma. Er hat bereits viele deutsch-ukrainische Projekte insbesondere in der Wasserwirtschaft koordiniert und geleitet.  

In seiner Präsentation berichtete der Referent über Stereotypen, Mentalitätsunterschiede, Trennung der Lebensbereiche Arbeit und Privates, Zeitmanagement und Planung, Regeln und Gesetze, Unternehmenskultur und Hierarchie sowie Kommunikation und Zusammenarbeit.

Viele internationale Kooperationen können an mangelndem Verständnis für die unterschiedlichen Arbeitsweisen auf beiden Seiten scheitern, wenn die kulturellen Unterschiede nicht ausreichend bekannt sind und so zu viel Missverständnissen und Frustrationen führen.

 
Gerade erste persönliche Treffen dienen beispielsweise auf ukrainischer Seite einer ersten Orientierung und dem gegenseitigen Kennenlernen. Erst muss eine positive Beziehung – Vertrauen und Sympathie – hergestellt werden, bevor es um konkrete Schritte der Zusammenarbeit geht – so der Gedanke. Deutsche Projektpartner hingegen kommen gerne sofort zur Sache, möchten Ziele definieren und konkrete Planungsschritte vereinbaren und reden über Persönliches eher im Nachgang. Aufgrund dieser unterschiedlichen Erwartungshaltungen kann man schnell aneinander vorbei reden.

Ukrainische Unternehmen planen eher für ein Jahr und verfolgen meist keine über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte angelegte Strategie – was unter den gegenwärtigen Kriegszeiten auch Sinn ergibt. Ihnen kommt ihre große Flexibilität, die viel Spielraum für situatives Handeln und Kreativität bietet, nun zugute. Auch dies ist vielleicht aus deutscher Perspektive ungewohnt, doch schafft es auch Räume in der Zusammenarbeit, die sich nutzen lassen, gerade in diesen schwierigen Zeiten.

Innerhalb ukrainischer Unternehmen sind Hierarchieebenen stark ausgeprägt und zu Entscheidungen und wichtigen Treffen sollten auch immer die Leitungsebene, d.h. Direktor*innen bzw. Oberbürgermeister*innen, hinzugezogen werden. Dafür sind auch diese flexibler in ihrer Termingestaltung im Vergleich zu der deutschen Führungsebene.

 
Tatsächlich gibt es im Ukrainischen keinen Begriff für „Termin“. In dieser Sicht ist ein Termin ein zeitlicher Orientierungspunkt, aber nicht zwingend schon eine Terminvereinbarung. Termine sollten daher kurz vorher nochmal telefonisch bestätigt werden.

Zudem lernten die Teilnehmenden, dass während in Deutschland die geschäftliche Korrespondenz fast ausschließlich über E-Mails läuft, in der Ukraine viel Geschäftliches auch über Messenger wie z.B. Viber erledigt wird. Messengerdienste wie Whatsapp wiederum werden in Deutschland kaum für geschäftliche Zwecke genutzt.

Auch wenn in dem Vortrag vor allem die Unterschiede in der Arbeitspraxis betont wurden, machte der Referierende deutlich, dass es sich hier um Verallgemeinerungen handelt, die eher als Orientierung zu verstehen sind. Individuen können jederzeit anders handeln, als von ihnen “klischeehaft” erwartet wird.

Eine Teilnehmerin brachte die Erfolgsformel für eine gute Zusammenarbeit treffend auf den Punkt: „Wichtig ist, dass man im Gespräch und im offenen Dialog bleibt. Wenn man erst mal eine persönliche Ebene der Zusammenarbeit gefunden hat, kann man auch kleinere Fettnäpfchen gut meistern.“

Bereichernd war auch, dass bei der ukrainischen Veranstaltung zunächst der Direktor des ukrainischen Wasserverbandes, Ukrvodokanalekolohiya, Herr Shkin, die Teilnehmenden begrüßte und betonte, dass die Partnerschaften ein wichtiger Beitrag zur deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit im Wassersektor seien.


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