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28.04.2023

Neugestaltung der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland – auch mit kommunalen Unternehmen

Die OECD gibt Empfehlungen für Bund, Länder und Kommunen

Foto: OECD

Der OECD-Bericht „Reshaping Decentralised Development Co-operation in Germany“ wurde beim „6. OECD Roundtable on Cities and Regions for the SDGs“ am 20. April 2023 in Brüssel vorgestellt. Er bewertet die Politiken, Strategien, Programme und die Finanzierung der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) in Deutschland sowie die damit verbundenen Herausforderungen und gibt konkrete Empfehlungen, wie die Effektivität und die Auswirkungen von DEZA-Politiken und -Programmen erhöht werden können.

Er ist das Ergebnis eines 18-monatigen Politikdialogs mit mehr als 100 Stakeholdern aus allen Regierungsebenen in Deutschland. Die OECD hat zwei Umfragen durchgeführt: eine bei den Bundesländern und eine bei den Kommunen. Die OECD-Umfrage bei den Ländern im Zeitraum November 2021 bis Januar 2022 richtete sich an die Anlaufstellen für Entwicklungszusammenarbeit in den 16 deutschen Bundesländern. Beantwortet wurde die Umfrage von den für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Abteilungen der Landesministerien von 14 der 16 Länder sowie von Vertretern des Bundes (BMZ) und der Durchführungsorganisationen. Eine ähnliche Befragung wurde auf die deutschen Kommunen ausgedehnt und an die jeweiligen Verantwortlichen für die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort gerichtet. Diese zweite Umfrage wurde zwischen April und Juni 2022 durchgeführt.

Seit den 1950er Jahren hat die DEZA innerhalb der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Vergleich zu anderen Mitgliedern des Entwicklungshilfeausschusses der OECD leisten die deutschen Kommunen und Regionen in absoluten Zahlen mit Abstand die höchste öffentliche Entwicklungshilfe (ODA), insgesamt ca. 1538 Millionen Euro in 2020 gefolgt von Spanien mit 369 Millionen Euro. Die meisten Länder und Kommunen konzentrieren sich in ihrer Entwicklungszusammenarbeit auf technische Zusammenarbeit, Beratungsdienste und kollegiale Beratung sowie Netzwerkarbeit, vor allem in den Politikbereichen Bildung, Umwelt und Gesundheit.

Ergebnisse auf kommunaler Ebene

Auf kommunaler Ebene sind der Aufbau und die Förderung von Netzwerken und kollegialer Beratung die beiden am häufigsten genutzten Arten der technischen Unterstützung bei kommunalen DEZA-Aktivitäten. Rund 75 % der Kommunen, die auf die OECD-Umfrage geantwortet haben, haben sich 2018, 2020 oder in beiden Jahren mit dem Aufbau und der Förderung von Netzwerken beschäftigt. Kollegiale Beratung ist die zweitwichtigste Art der technischen Unterstützung für DEZA-Projekte von Kommunen. Rund zwei Drittel der Kommunen nutzten kollegiale Beratung in ihren DEZA-Programmen. Runde Tische und Plattformen, die Akteure aus verschiedenen Sektoren zusammenbringen, sind Instrumente, die von den Kommunen genutzt werden und die Kommunikation und den Wissensaustausch verbessern können, insbesondere in Krisen und Notfällen.

Auch die besondere Rolle kommunaler Unternehmen wird explizit aufgezeigt: „Kommunale Unternehmen können Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit durch die Bereitstellung von technischem Fachwissen unterstützen. Kommunale Unternehmen sind eng mit der kommunalen Verwaltung verknüpft. Je nach Rechtsform sind sie direkt in die Organisationsstruktur einer Stadtverwaltung, eines Landkreises oder - im Falle von Stadtstaaten - eines Landes eingebunden. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Regel in den Bereichen Ver- und Entsorgung (Wasser, Energie) und Abfallbeseitigung (Abwasser, Müll). Eine Studie des DIE hat ergeben, dass 42% der deutschen Kommunen, die in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind, mit mindestens einem kommunalen Unternehmen zusammenarbeiten, meist im Bereich der Versorgungswirtschaft. Um das Engagement von kommunalen Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern, hat das BMZ in Zusammenarbeit mit der GIZ und der SKEW das Pilotprojekt "Betreiberplattform zur Stärkung von Partnerschaften kommunaler Unternehmen weltweit" ins Leben gerufen. In der bis 2023 laufenden Pilotphase arbeiten kommunale Wasserversorger aus Deutschland, Jordanien, Südafrika, Tansania, der Ukraine und Sambia in Pilotpartnerschaften zusammen, um eine nachhaltigere Wasserver- und Abwasserentsorgung in ihren jeweiligen Städten zu erreichen.“

Der Technologie- und Know-how-Transfer, der auch in Unternehmenspartnerschaften zentral ist, spielt eine ähnlich wichtige Rolle wie die kollegiale Beratung: Rund 60 % der Kommunen nutzten ihn als Teil ihrer DEZA-Aktivitäten im Jahr 2018 und/oder 2020. Andere relevante Arten der technischen Unterstützung, die für die DEZA-Aktivitäten der Kommunen wichtig sind, sind insbesondere die berufliche Bildung, Beratungsdienste, Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement.

Weitere wichtige Politikbereiche für deutsche Kommunen sind Governance und Demokratie. Nahezu 30 % waren in den letzten fünf Jahren in den Bereichen lokale Verwaltung, Demokratie und Dezentralisierung aktiv. Rund 27 % haben sich bei ihren Aktivitäten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sowohl 2018 als auch 2020 auf die soziale Eingliederung konzentriert. Weitere relevante Bereiche der an der Umfrage teilnehmenden Kommunen sind Stadtentwicklung (20 %), Gesundheit, insebsondere seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie (22 % aktive Kommunen im Rahmen der DEZA), sowie wirtschaftliche Entwicklung, Wasser, Gender und Kultur. Generell sei es wichtig, ein gemeinsames Verständnis des Ziels eines DEZA-Projekts zu finden, um eine Diskrepanz bei den Prioritäten zu vermeiden.

Kritik und Empfehlungen

Der Bericht sieht aber auch Schwächen im deutschen DEZA-System: Die meisten Länder würden ihre Politik zwar mit der Bundesregierung über das Bund-Länder Programm abstimmen. Es gäbe aber kaum eine Politikkoordinierung zwischen den Ländern und den Kommunen. Dies könne zu verstreuten Kleinprojekten, ungenutztem Synergiepotenzial in den Partnerländern und Doppelarbeit führen. Zudem sei die DEZA insbesondere auf Länderebene noch ausbaufähig.

Weiterhin gäbe es keine einheitliche Definition der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit und keine ausreichenden Datenlage für ein Wirkungsmonitoring. Entsprechende Wirkungsnachweise könnten die Attraktivität der DEZA insgesamt erhöhen. Mit bürokratischen Hürden einhergehende, oft auf ein Haushaltsjahr beschränkte, finanzielle Unterstützungsleistungen war ein weiterer Kritikpunkt.

Die daraus resultierenden Politikempfehlungen sind daher kurzgefasst:

  • Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Bundesländern und Kommunen bei der DEZA.
  • Stärkung der DEZA auf der Ebene der Länder durch Förderung einer direkteren Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Regierungen in den Partnerländern.
  • Klärung der Definition und der Grenzen von DEZA in Deutschland, um Maßnahmen zu fördern und bestehende DEZA-Leitlinien zu stärken.
  • Verstärkte Förderung des politischen Dialogs über die Ergebnisse und den gegenseitigen Nutzen von grenzüberschreitenden DEZA-Projekten für Länder, Kommunen und Durchführungsorganisationen.
  • Schaffung eines flexibleren Rahmens zur Ausweitung der Kofinanzierung von DEZA-Projekten und zur Bewältigung des Problems der einjährigen Finanzierungsvereinbarungen.
  • Vereinfachung des bürokratischen Aufwands und der Antragsverfahren für Förderprogramme sowie Stärkung der Kapazitäten des Personals zur Steuerung der Entwicklungshilfe auf kommunaler Ebene.
  • Entwicklung eines harmonisierten Konzepts für das Monitoring und die Evaluierung von DEZA-Ergebnissen in allen Ländern und Kommunen.

Trotz aller Kritik im Einzelnen wird die Wirksamkeit der DEZA jedoch nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil ihr Potential für die Umsetzung der Agenda 2030 hervorgehoben und ein weiterer Ausbau empfohlen.

Zur Studie: OECD: Reshaping Decentralised Development Co-operation in Germany


erstellt von:
Burkhard Vielhaber, Redaktion Betreiberplattform
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