Von Raketen getroffene Pumpstationen, Stromausfälle und zusammengebrochene Telekommunikation sind seit Kriegsbeginn fortwährende Herausforderungen für ukrainische Betreiber. Vasyl Lytvynyuk vom Wasser- und Abwasserunternehmen Nadvirnavodokanal der Kleinstadt Nadvirna im Westen der Ukraine macht klar: „Ohne die Hilfe unserer deutschen Partner hätten wir den Betrieb des Wasserwerkes und der Kläranlage nicht aufrechterhalten können.“
Doch wer steckt hinter den „deutschen Partnern“, von denen Vasyl Lytvynyuk spricht? Im Lead ist die Stadtentwässerung Dresden, die als weitere Projektpartner die Stadtentwässerungsbetriebe Köln und die Berliner Wasserbetriebe an ihrer Seite hat. „Wasser kennt keine Grenzen“, bringt es Kristin Michalek-Götz, Referentin für Internationale Projekte der Stadtentwässerung Dresden, auf den Punkt. „Schadstoffe verteilen sich durch Flüsse, Verdunstung und das Grundwasser weltweit. Wenn wir nachhaltig agieren wollen, müssen wir mit unseren Nachbarn zusammenarbeiten. Auch deshalb gehen wir Partnerschaften mit Wasser- und Abwasserunternehmen aus anderen Ländern ein und eines dieser Länder ist die Ukraine.“
Seit 2019 arbeiten die drei deutschen Betriebe mit dem Unternehmen Lvivvodokanal der westukrainischen Stadt Lviv zusammen. Es ist das größte Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen in der Region. 2019 versorgte Lvivvodokanal rund 730.000 Menschen und 10.000 Unternehmen. Ende 2021 erhielt die Partnerschaft Zuwachs: Nadvirnavodokanal und Ternopilvodokanal. Das Kommunalunternehmen Nadvirnavodokanal sorgt für die Wasserver- und Abwasserentsorgung der Stadt Nadvirna mit etwa 21.000 Einwohner*innen und vier Unternehmen. Ternopilvodokanal versorgt die Einwohner*innen in und um die Stadt Ternopil mit etwa 240.000 Einwohner*innen und 4.000 Unternehmen.
Beim Start der Partnerschaft lag der Fokus darauf, ein Modell für ein kostendeckendes Tarifsystem zu entwickeln, damit die ukrainischen Betreiber von den eingenommenen Wassergebühren die tatsächlich entstandenen Kosten der Wasserver- und Abwasserentsorgung decken können. Zudem sollten Prozesse und Anlagen optimiert und modernisiert werden, auch um qualifizierte junge Menschen für den Job bei den Wasserver- und Abwasserentsorgern zu gewinnen.
Als die Zusammenarbeit ab 2021 richtig an Fahrt aufgenommen hatte, begann die russische Vollinvasion in der Ukraine. „Unsere Planungen haben wir erstmal zur Seite gelegt und in den Nothilfemodus umgeschaltet“, beschreibt Kristin Michalek-Götz die Situation seit dem 24. Februar 2022. In den ersten Tagen nach Beginn der russischen Vollinvasion fingen die deutschen Betriebe an, Spenden zu sammeln. Volodymyr Bilynskyy von Lvivvodokanal erinnert sich noch gut: „Unsere deutschen Partner haben uns sofort nach Kriegsbeginn kontaktiert und gefragt, was wir brauchen. Nur drei Wochen später hatten wir das erste Equipment vor Ort. Damit konnten wir die Wasserver- und Abwasserentsorgung aufrechterhalten.“ In den vergangenen beiden Jahren erhielten die ukrainischen Unternehmen so Fahrzeuge, Kabel, Pumpen, Motoren, Transformatoren, Frequenzumrichter, Schlauchverbindungen, Notstromgeneratoren, Satellitentelefone, Funkgeräte und noch vieles mehr. Um die Waren in die Ukraine zu liefern, nutzen die deutschen Betreiber seit Januar 2023 den Logistikdienstleister Go Local, mit dem die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zusammenarbeitet. Kristin Michalek-Götz blickt zurück: „Es gab Sondermittel für die Ukraine für die Betreiberplattform vom BMZ, die wir als teilnehmende Betreiberunternehmen genutzt haben, um eine Beschaffungsstruktur außerhalb unserer Kernaufgaben auf die Beine zu stellen. So konnten wir unsere drei ukrainischen Partner mit den wichtigsten Komponenten versorgen.“ Kristin Michalek-Götz konkretisiert: „Wir melden den Warentransport an, machen die erforderliche Dokumentation und der durch die GIZ engagierte Transport- und Zolldienstleister kümmert sich um die Logistik. Das ist eine riesige Hilfe.“
Für Volodymyr Bilynskyy ist diese Unterstützung ein Segen: „Unsere Bevölkerung ist durch die Binnenvertriebenen um 150.000 Menschen gewachsen. Die Notunterkünfte haben wir an die Wasserver- und Abwasserentsorgung angeschlossen. Ein großer Teil der notwendigen Materialien stammt von unseren deutschen Freunden. Mit den gelieferten Notstromaggregaten können wir außerdem die durch russische Angriffe verursachten Stromausfälle auffangen und die Menschen hier weiter versorgen.“
Obwohl die ukrainischen Betriebe ständig im Krisenmodus arbeiten müssen, haben sie ihre Vision für eine friedliche Zukunft nicht aus den Augen verloren. Acht Mitarbeiterinnen aus den Wasserlaboren der ukrainischen Betreiber konnten beispielsweise dank der Partnerschaft an einer Laborschulung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft (DWA) teilnehmen. Das Know-how fließt in Nadvirna in die Planung der neuen Kläranlage ein, die auch die Technische Universität Dresden unterstützt. Volodymyr Vodoviz von Ternopilvodokanal erklärt: „Wir haben in Schulungen, Seminaren und bei Studienreisen nach Deutschland neue Technologien und Ausrüstung kennengelernt. Dieses Wissen wollen wir für die anstehenden Modernisierungen bei uns nutzen.“ Die Modernisierungspläne der drei Betriebe in der Ukraine schlummern noch in der Schublade, doch Kristin Michalek-Götz stellt klar: „Sobald es die Situation in der Ukraine erlaubt, holen die drei Unternehmen ihre Pläne wieder aus den Schubladen heraus und legen los. Die sind gut vorbereitet und können auf unsere Unterstützung zählen.“
Die Ukraine wird auch durch einen Logistikhub für ukrainische Wasserunternehmen unterstützt. Dieser unterstützt im Auftrag des BMZ und durchgeführt von GIZ und VKU seit Januar 2023 deutsche Wasserunternehmen bei der Lieferung von technischen Hilfsgütern an ukrainische Wasserunternehmen. In Zusammenarbeit mit dem Logistikpartner GoLocal können die deutschen Wasserversorger auf diese Weise kostenlos und ohne großen eigenen Aufwand dringend benötigte Wassertechnik in die Ukraine schicken.
Infos zu den weiteren Solidaritätsbetreiberpartnerschaften mit der Ukraine können hier gefunden werden. Die Partnerschaft zwischen Stadtentwässerung Dresden und Lviv, Ternopil und Nadvirna wird hier vorgestellt. Weitere Informationen zu den Betreiberpartnerschaften der Stadtentwässerung Dresden können auch dem Video vom Sachsen Fernsehen vom 9. Juli 2024 entnommen werden, in dem über den Besuch der Bundesministerin Svenja Schulze berichtet wird.